Artikel von 17.05.2024

Kommunen unter Druck - DASEINSVORSORGE versus DASEIN IN SORGE

Das Problem

Als Mitarbeiter in einer Kommune kennen Sie die Herausforderungen: Ihre Ressourcen sind begrenzt, zugleich wachsen die Anforderungen an die Bauabteilungen. Sie sind nicht allein. 85 % der deutschen Kommunen haben weniger als 10.000 Einwohner. In vielen dieser Gemeinden fehlt es an baufachlicher Expertise. Diese Situation stellen Sie selbst in größeren Kommunen zunehmend fest. Vorhandene Stellen können nicht mehr adäquat besetzt werden.

Dieser Verlust an Fachkompetenz betrifft uns alle. Er hat direkte Auswirkungen auf die Qualität und Sicherheit unserer kommunalen Infrastrukturen. Die zunehmenden gesetzlichen Auflagen, wie Gewässer- und Trinkwasserschutz sowie Energieeffizienz und das Reduzieren des CO 2-Ausstoßes, sind berechtigt und notwendig. Die Spezialisierung in den Themenfeldern schreiten weiter voran.

All dies überfordert die Kommunalverwaltungen immer stärker. Die meisten Kommunen haben schon heute mit der Fülle der ihnen übertragenen Aufgaben zu kämpfen. Sie stehen mit dem Rücken an der Wand.

Die Folgen

Gefährlich ist hierbei: Mit zunehmender Überforderung schwindet das Bewusstsein um die Folgen der Aufgabenvernachlässigung. Verstärkt wird dies durch den Rückgang der baufachlichen Kompetenz in den Kommunen, infolge des demografischen Wandels.

Für uns als Gesellschaft entsteht eine zunehmende Gefahr. Die bislang noch weitgehend funktionierende Infrastruktur droht auszufallen. Im kommunalen Bereich betrifft dies vor allem die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Die heutige „Daseinsvorsorge“ für die Bevölkerung könnte mittelfristig zu einem „Dasein in Sorge“ führen.

Der Wert funktionierender Infrastrukturanlagen wird vielen Menschen erst beim Ausfall bewusst. Markus Becker verdeutlicht in seinem Buch „Und dann fällt der Strom aus...“, wie drastisch die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind. Ursächlich war im Ahrtal eine regional begrenzte, aber verheerende Naturkatastrophe von bis dahin unbekanntem Ausmaß.

Der fortschreitende Substanzverlust der Infrastrukturanlagen ist indessen noch problematischer. Dieser entsteht, wenn die Aufgabenträger passiv bleiben. Dies gilt für alle Bauwerksbereiche. Der Substanzverlust wird von Betreibern oft nicht wahrgenommen. Für Experten ist dieser verbreitet erkennbar. Der Verlust schreitet immer schneller voran. Wir erleben das Problem am Beispiel der Deutschen Bahn hautnah. Auch die Brückensperrungen im Straßenverkehr sind offensichtlich. Seit Jahren vernachlässigen wir die Infrastruktur stark. Die heute spürbaren negativen Folgen sind die Konsequenz. Wenn es ähnliche Probleme bei erdverlegten Infrastrukturen gibt, ist das verheerender. Versuchen wir besser gar nicht, uns das auszumalen!

Verantwortung tragen

Die Kommunen stehen aktuell am Rande eines Strudels. Für die Netzbetreiber gibt es mit fortschreitender Zeit kein schmerzloses Entrinnen mehr. Wir müssen diese Entwicklung mit allen Kräften verhindern. Nur die Aufgabenträger selbst können dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Als Gesellschaft brauchen wir einen gemeinsamen Kraftakt der kommunal Verantwortlichen. Wir müssen neue Wege in der interkommunalen Zusammenarbeit beschreiten. Die Kommunen und kommunalen Spitzenverbände müssen Weitsicht zeigen, um das ansonsten Unausweichliche zu verhindern. Es geht in den Kommunen daneben um weit mehr als „nur“ um die erdverlegten Infrastruktureinrichtungen. Der gesamte Baubestand in kommunaler Verantwortung ist betroffen.

Das Problem: Wir erleben den demografischen Wandel nun hautnah. Es fehlen Köpfe. Die MINT-Studienfächer haben auch deshalb zunehmend Schwierigkeiten, ausreichend Studierende zu gewinnen und zum Abschluss zu führen. Dies erschwert das Erfüllen der öffentlichen Bauherrenaufgaben.

Aus meiner Sicht kann dieser Entwicklung mit dem Schaffen interkommunaler Bauämter begegnet werden. Diese Bauämter fungieren als „Interkommunale Dienstleistungseinheit“.

Eine Lösung: Interkommunale Dienstleistungseinheit

Wie kann das gelingen, wozu ist dies notwendig, welche Vorteile entstehen?

  • Die Kommunen einer Raumschaft beschließen, ihre Bauämter in eine neue, kommunal getragene Organisation auszulagern. Diese Organisation richtet Abteilungen mit Fachpersonal je Fachgebiet ein, z. B. in den Bereichen Hochbau (KITA, Schulen, Gemeindeeinrichtungen), Abwasserentsorgung, Trinkwasserversorgung und Verkehrswege. Öffentliche Anlagen und Querschnittsthemen der Bauverwaltung werden möglicherweise ergänzt. Dazu gehören Bodenmanagement, Vergaberecht und Bestandsdatenverwaltung. Wo die Möglichkeit besteht, bereits etablierte interkommunale Organisationen zu nutzen, könnte dies vorrangig erwogen werden (z. B. Umbau und Erweiterung von Abwasserzweckverbänden, Wasserverbänden usw.).
  • Die dortigen Mitarbeitenden übernehmen die Bauherrenaufgaben der Mitgliedskommunen. Sie kümmern sich um die fachlichen Aspekte gegenüber den Genehmigungsbehörden, stellvertretend für die einzelnen Gemeinden. Danach begleiten sie die weiteren Leistungen. Diese Leistungen werden von Planungsbüros, Bauunternehmen und externen Dienstleistern für die Kommunen erbracht.
  • Die Entscheidungshoheit verbleibt auf Wunsch bei den Kommunen. Sie tragen und delegieren die Aufgaben oder übertragen die Aufgabenpflicht gänzlich. Die Kosten verbleiben grundsätzlich bei den originären Aufgabenträgern.
  • Die Effekte: Die Fachaufgaben werden professioneller bearbeitet. Die Genehmigungsverfahren mit Aufsichtsbehörden laufen schneller. Professionelle Ansprechpartner verkürzen die Entscheidungswege. Die Zentrierung des Fachpersonals spart Kosten ein. Mögliche Vertretungsregelungen werden dem Aspekt „Live-Balance“ der Mitarbeitenden gerecht. Die Personalgewinnung nach Fachgebieten wird einfacher.

Was ist zu tun?

Die Expertenkreise müssen Bewusstsein für die Zusammenhänge und Bedarfe schaffen. Wir sollten dies direkt auf der politischen Ebene tun. Beginnen wir dabei unmittelbar in unseren eigenen Wohngemeinden und Wahlkreisen. Die Kommunen benötigen gemeinwohlorientierte Vordenker und allgemein nutzbare Lösungsansätze. Diese orientieren sich an den gesellschaftlichen Bedarfen und berücksichtigen die demografische Entwicklung. So können die Kommunen die gewohnten Lebensgrundlagen sichern.

Wir müssen das Altbewährte auf den Prüfstand stellen und vermeintliche Gewissheiten ebenso. Aus Effizienzgründen sind die kommunalen Spitzenverbände dazu prädestiniert und aufgefordert, für die Kommunen geeignete Lösungsansätze aufzuzeigen, zu initiieren und dadurch aktiv zu unterstützen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die über Jahrzehnte aufgebauten Verwaltungsstrukturen gemeinsam neu ausrichten können. Wir müssen diese auf die vor uns liegenden Herausforderungen transformieren.

Technische Standards zu beseitigen und vermeintlich einfachere Lösungen zu suchen, führt nur bedingt zum Ziel. Die generationenübergreifend sinnvolle Output-Orientierung des kommunalen Haushaltsrechts darf dabei nicht konterkariert werden.

Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit dazu. Es hilft vor allem eines: MACHEN, JETZT, gerne auch mit dem Mut zur Lücke!

Quelle Titelbild: Barthauer Software GmbH